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Thilo Krause: Elbwärts

Das schreibt der Verlag:
Wie begegnet man seiner fremd gewordenen Herkunft? – Thilo Krauses eindringlicher Roman über unser Land und unsere Zeit:

Ein junges Paar kehrt nach Jahren zurück ins Felsland der Sächsischen Schweiz. Der Wunsch, sich an den Kindheitsorten ein neues Leben aufzubauen, mündet in die Konfrontation mit der Herkunft, aber auch mit einer neuen Fremdheit. Der Erzähler erinnert sich: an den Schulfreund, der damals beim gemeinsamen Klettern sein Bein verlor. An den öffentlichen Tadel in der Schule beim sozialistischen Fahnenappell. Thilo Krauses erster Roman erzählt vom Versuch der Heimkehr in ein fremdgewordenes Land. Es gibt nicht nur Apfelbäume und Elbwiesen, es gibt auch das Sommercamp der Neonazis, und am Misstrauen des Dorfes droht auch das Paar zu scheitern. Ein intensiver Roman über unser Land und unsere Zeit.

Das sagt Helene Paulig, Stammkundin der Guten Seite:

Der Erzähler mäandert durch die Geschichte, die an der Elbe, im Elbsandsteingebirge und rund um die Festung Königstein spielt. In poetischer Sprache taucht er in die Kindheit der DDR ein, schippert durch die Familienbeziehungen, kommt nach 1989 wieder im Nachbardorf der Kinderjahre an und verliert sich irgendwo im Hochwasser der Elbe.

Was ist das für eine Geschichte? Auf jeden Fall eine über die Suche nach Liebe und Freundschaft zu seinem Kind – „Die Kleine“ genannt -, zu einer Frau – es ist Christine, die die Menschen wieder gerade biegt auf ihrer Praxis-Liege -, zu Vito, Jiri und Jan. Mit starken Bildern und mit suggestiver Sprache zieht Autor Thilo Krause seine Leser*innen hinein in die Geschehnisse und in die Gedanken des Helden. Die Erzählung von Liebe und Freundschaft ist der hoffnungsvolle Pfad dieses Romans.

Pfade voll Melancholie, Trauer und Wut

Alle anderen Pfade haben in mir abwechselnd Melancholie, Trauer und Wut erzeugt. Den Elbsandsteinfels erreicht der Ich-Erzähler als kleiner Junge nur allein, Vito stürzt ab und verliert ein Bein. Es ist so schwer, nach einem solchen Erlebnis zu sprechen. Überhaupt, ist das Sich-nicht-mitteilen-können eine Eigenschaft des Helden, seiner Mutter, die die Familie des Sohnes nicht besuchen kann, seiner Frau, die über ihr Elternhaus nicht erzählt, von Vito und von der ganzen Karawane: „Trotzdem ziehen wir alles hinter uns her, haben es aufgeladen. Die Freunde, die wir hatten und haben, die Familie, die Lebenden und die Toten. Eine ganze Karawane sind wir…“ Zu den Toten, die ein Leben lang in der Karawane des Lebens mitziehen, gehört auch der Vater des Helden. Er arbeitete bei der Wismut und die Uranstrahlung ließ ihn jämmerlich sterben. „Und dann hat ihn die ganze Chemie doch eingeholt, die radioaktiven Lungen. Die ganze Russenscheiße, wie er sagte. Deshalb kommt Mutter uns nicht besuchen. Vielleicht.“

Es ist sprachliche Kunst, wie Thilo Krause all diese Erlebnisse, Erfahrungen und Gedanken nicht ellenlang ausbreitet, sie oft nur andeutet. Aber es entsteht ein Panorama aus Individuen, Beziehungen und gesellschaftlichen Situationen und Entwicklungen. Die Erlebnisse des Lebens nicht aus sich herauslassen zu können, ist traurig, schafft Missverständnisse, trennt Freunde und Liebende, aber auch Gesellschaften wie die im deutschen Osten und Westen.

Ostdeutsche Erfahrungen

Wen es in die Heimat zieht, der sucht das Vertraute, will zur Ruhe kommen. Meistens, aber nicht im Roman von Thilo Krause. Der Held sucht nach Versöhnung. Um seine Schuldgefühle los zu werden, will er die Freundschaft mit Vito, dem einbeinigen Tischler, wiederfinden. Seiner Frau Christine sagt er nichts davon.
Vito, der die nazistischen Hefte der „Glatzen“, wie sie der Autor bezeichnet, in seiner Tischlerei liegen hat. Nicht weil er Neonazi ist, sondern eher um nicht aufzufallen. Warum, fragt der Held, wirf sie weg. Die Orte um die Burg Königstein sind seit langem als rechtsextremistisch und nationalistisch bekannt. So spricht der Roman nicht, der Autor ist subtiler, eindringlicher, seine Sprache macht die Wut frei: Es sind paramilitärische Lager, die im wunderschönen Elbsandsteingebirge stattfinden. Die Fremdenfeindlichkeit der Menschen in den Häusern des Dorfes, hinter den Gardinen ist bedrohlich. Wenn sie doch in ihren Häusern blieben, aber nein, sie bedrängen all jene, die ihnen fremd sind.

Entkommen, aber wie?

Wie entkommt man dieser Enge und Engstirnigkeit? Wo endet die Suche nach Ruhe und Glück? Die beiden Jungen ziehen nach dem Unfall in eine Höhle und sagen ihren Eltern nichts davon. Sie wollen dort frei sein. Im Jetzt und Heute finden sich das Erzähler-Ich, Christine, die Kleine, Vito und die beiden tschechischen Freunde Brigitte und Jan bei dramatischem Hochwasser und organisieren ihre Rettung vor den Fluten Richtung tschechische Grenze. „Die Pumpen brummen Tag und Nacht. Auch hier oben alles zerstört, selbst dort, wo das Wasser nicht hinkommt.“

Thilo Krause: Elbwärts
Roman, 206 Seiten, erschien im August 2020 im Carl Hanser Verlag
Gebunden €22/ epub €16,99 – zum Webshop
Audio-CD (Ungekürzte Lesung mit Nico Holonics) €22/ mp3 €15,39